Ostern mit der Familie


Emma rannte ihren Großeltern entgegen. Sie drückte sie an sich und wandte sich dann ihrer Tante, ihrem Onkel und zuletzt ihren Cousinen und Cousins zu. Sie freute sich so sehr, dass alle hier waren und zusammen Ostern feiern würden. Sie hatten sich schon so lange nicht mehr gesehen.


Glücklich und voller Tatendrang liefen die Kinder ins Haus und durch die Wohnung nach Hinten raus in den Garten. Sie waren nicht mehr zu bremsen, nach der langen Autofahrt. Nur Lukas, der älteste von ihnen blieb bei den Erwachsenen, er fühlte sich wohl schon fast so erwachsen wie sie, dachte Emma etwas traurig, denn sie mochte ihn besonders gern.


„Ich habe jetzt ein Kaninchen“ sagte Emma aufgeregt.

Franzi schaute sie mit großen Augen an, „ein echtes?“

Emma nickte. 

Nilchen lief mit ihrem Freund im Außengehege umher. Ihre Eltern hatten extra ein zweites Kaninchen dazugeholt, damit sie nicht allein blieb, denn Kaninchen waren Gruppentiere, somit sehr unglücklich allein.  Nilchen schien aufgeregt, weil so viele Leute Drumherum standen. Emma hob sie aus dem Gehege und nahm sie auf den Arm. Das Schwarzweiß gefleckte Tier versuchte sich aus ihrem Arm zu winden, doch Emma hielt es fest und streichelte sie beruhigend. 

Franzi, Leo, der kleine Moritz und Leni standen staunend da. 

„Dürfen wir es streicheln? fragte Franzi.

Emma nickte und alle anderen kamen um das Tier zu streicheln.

„Es hat weiches Fell?“,  sagte Mo beinahe verwundert.

Leo kam näher „kann ich es auch mal halten?“ 

Emma wollte das nicht, es sollte keine Angst haben, weil alle es streicheln oder kuscheln wollten und am Ende ließen sie es womöglich fallen. Sie schüttelte den Kopf. „Ich setze Nilchen erstmal zurück“ entschied sie und setzte sie ins Gehege zurück. 

Eine Weile standen sie da und schauten den beiden Kaninchen zu, wie sie dicht aneinandergedrängt unter einem Busch hockten. 


Emma liebte ihre beiden Kaninchen so sehr und besonders Nilchen, denn die war schon als ganz kleines Tier hergekommen. Sie konnte ihr stundenlang zuschauen, wie sie Grashalme abkaute, ein Löwenzahnblatt wegknabberte oder mit Lumpi kuschelte. 

Die beiden Tiere beobachteten sie eine Weile, als sie merkten, dass ihnen keine Gefahr drohte, liefen sie zurück zu ihrer Schale mit Gemüse und Kohlrabiblättern und machten sich weiter dran zu schaffen. Löwenzahn gab es noch leider nicht.


Vom Haus aus rief Emmas Mutter zum Essen. Die Kinder liefen schnell zurück, denn die lange Fahrt hierher hatte sie hungrig gemacht. Sie zeigten sich gegenseitig ihre Osterkörbe, mit all den bunt eingepackten Eiern, den Schokohasen, bei Emma den tollen Buntstiften und dem Malbuch, die der Osterhase für sie  versteckt hatte. Leni hatte ihr zwar gesagt, dass es gar keinen Osterhasen gab, doch Emma wollte ihr nicht glauben. Woher sollten denn sonst die ganzen tollen Sachen gekommen sein? 

Sie kannte die Antwort, aber mit dem Osterhasen war es schöner. Sie gingen zusammen zum Tisch hinüber.


Es war Sonntag und es gab Heute ganz besonderes Essen, einen Ostersonntagsbraten, von Emmas Mama liebevoll zubereitet.  Es war laut am Tisch, denn alle redeten durcheinander, hatten sich viel zu erzählen. 

Emmas Mutter hatte den Tisch festlich gedeckt mit einer schönen Tischdecke, auf der süße Kaninchen, Hühnerkücken, Lämmchen und bunte Frühlingsblumen aufgestickt waren. Es gab auch ein passendes Geschirr, extra nur für Ostern. Emma mochte das besonders gern war immer noch ganz aufgeregt, weil die anderen endlich da waren. 


Dann trugen ihre Mutter und ihre Tante den ersten Gang herein. Es gab gebackenen Schafskäse auf Basilikum-Rukola-Salat. Ok, den Rukola hätte sich ihre Mutter auch sparen können, fand Emma, der war doch nur bitter, besser für die Kaninchen. Aber der Käse war echt lecker. Emma sah, dass Lukas nur den Salat aß, ihre Mutter hatte ihm einen Extra Teller hingestellt. 


„Warum isst du keinen Käse?“ fragte Emma, „der ist so lecker!“ 

Lukas nickte und lächelte sie an. „Ich mag den nicht.“ 

Emma wunderte sich. „Wieso denn?“

Lukas setzte an, ihr was zu antworten. 

Emmas Onkel räusperte sich „Lukas, jetzt nicht!“ 

Lukas sah seinen Vater an, schaute zur Seite und verdrehte die Augen, bevor er noch kurz sagte, „das ist die Milch für die Lämmer und Kälber, nicht für uns.“ Trotzig blickte er noch mal zu seinen Eltern, ehe sich wieder seinem Salat widmete.

Emma überlegte, was meinte er denn? 


Die Erwachsenen redeten über das Essen und lobten den tollen Salat ihrer Mutter. 

Dann kam der Hauptgang, der Sonntagsbraten. Wieder holten ihre Mutter und ihre Tante das Essen. Zwei große Schalen mit Gemüse und den Braten. Es gab ein „Ah“ und „Oh“, von den großen zu hören und Emma schaute auf die silberne Platte, wo die Bratenstücke im Saft ausbrutzelten. Ihre Mutter gab auf, die Teller wurden herum gereicht. Alle begannen zu essen und es gab viel Lob für die Kochkünste ihrer Mutter. 


Nur Lukas aß wieder nicht alles, sondern hatte sich nur Gemüse auftun lassen. Emma sah ihren großen Cousin mit ganz anderen Augen an und dachte weiter über seine Worte nach.


Die Erwachsenen redeten noch über das Essen. Ihre Mutter erzählte  Tante Elsi auf nachfragen hin, woher sie den leckeren Braten hatte.

„Ich hole die Kaninchen immer beim Schlachter im Dorf. Ganz frisch geschlachtet, und ich lasse sie mir gleich dort in je Acht Teile zerlegen: zwei Vorderläufe, zwei Keulen, die werden im Gelenk in Oberkeulen und Hinterläufe zerteilt, sowie den Rücken dann noch in zwei Hälften. Das erspart mir Arbeit und ich mag das auch nicht so gern machen.“ Sie grinste.


Emma blieb ihr Bissen fast im Halse stecken. Was hatte ihre Mutter gesagt, Kaninchen? Diese Bratenteile konnten doch unmöglich mal Kaninchen gewesen sein? Sie legte ihre Keule, wie ihre Mutter das Stück genannt hatte, wieder auf den Teller und starrte darauf herunter. Der Appetit war ihr mit einem Mal gänzlich vergangen und sie hatte eigentlich das dringende Bedürfnis in den Garten zu rennen und nach den beiden Kaninchen zu schauen, ob es ihnen gut ging. Ihre Mutter erzählte weiter.


„Für Morgen habe ich frischen Lammbraten gekauft, wir haben im Ort einen  Biobauern, der bietet ganz tolles und frisches Fleisch an. Außerdem denke  ich, dass die Tiere da ein gutes Leben hatten und auch viel gesünder sind.“ Emma sah ihre Mutter die Tante anlächeln und hatte mit einem Mal den Wunsch laut los zu schreien. Selbst wenn sie ein gutes Leben hatten, dann wollten sie doch trotzdem leben und nicht geschlachtet werden.

Sie schaute zu Lukas, der ganz rot im Gesicht war und sich auf sein Gemüse konzentrierte. Doch plötzlich blickte er sie geradewegs an und schaute ihr ganz tief in die Augen. 

Mit einem Mal wusste Emma, weshalb er keinen Käse und auch keinen Braten genommen hatte. Es fiel ihr wie Schuppen von den Augen und sie wunderte sich nur noch, weshalb sie erst jetzt begriff, dass diese toten Kaninchen auf den Tellern, das Lamm im Tiefkühlschrank, erst Gestern noch, lebende Tiere gewesen waren. Tiere genau wie Nilchen und Lumpi.


Sie lächelte Lukas nun zufrieden an. Auch wenn sie erst sieben Jahre war, sie hatte verstanden und in diesem Augenblick einen Entschluss für ihr Leben gefasst.  







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